MDK Pflegegutachten (2)[zurück]
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Artikel MDK Pflegegutachten (Teil 2)
Bewertungskriterien
1. Auswirkungen auf die Aktivitäten des Pflegebedürftigen
In der Gesamtbetrachtung wird durch den Gutachter eine Bewertung der Auswirkungen der Beeinträchtigungen auf die unmittelbaren verrichtungsbezogenen Aktivitäten des täglichen Lebens nach folgenden Graden vorgenommen:
- O = Keine pflegerelevante Beeinträchtigung der Aktivität:
Fähigkeit zur selbständigen Durchführung von Verrichtungen; keine Hilfsperson und keine Hilfsmittel erforderlich. - 1 = Keine Fremdhilfe, selbständige Ausführung verlängert oder Hilfsmitteleinsatz erforderlich:
Eingeschränkte Fähigkeit zur selbständigen Durchführung von Verrichtungen; Hilfsmittel/Hilfsvorrichtungen sind vorhanden und werden selbst genutzt; der Pflegebedürftige benötigt ggf. mehr Zeit als üblich für die Durchführung der Verrichtungen, bewältigt sie aber mit Mühe selbst. - 2 = Fremdhilfe bei abhängiger Pflegeaktivität erforderlich:
Eingeschränkte Fähigkeit zur selbständigen Durchführung von Verrichtungen; eine Hilfsperson ist zur Anleitung und Beaufsichtigung bei der Vorbereitung und Durchführung von Verrichtungen bzw. zu ihrer zeit- oder teilweisen Übernahme erforderlich. - 3 = Unfähigkeit zur selbständigen Aktivität:
Unfähigkeit zur selbständigen Durchführung von Verrichtungen; personelle Hilfe in allen Phasen der Versorgung/Verrichtung erforderlich.
Beispiele für die Graduierung (Bewertung) bezogen auf die verrichtungsbezogenen Aktivitäten der Grundpflege:
Bewegen
Merkmale Graduierung
- 0 = Bewegung ist ohne Einschränkung möglich.
- 1 = Bewegung ist erschwert, unsicher oder verlangsamt, kann jedoch mit Hilfsmitteln selbständig erfolgen, wie z. B. Rollstuhl, Gehhilfen sowie Hilfsmittel zur selbständigen Lebensführung.
- 2 = Zur Bewegung ist (ggf. neben dem Hilfsmittel) eine personelle Hilfe zeitweise oder teilweise notwendig, z. B. Gang zur Toilette, Treppensteigen.
- 3 = Zur Bewegung ist ständige personelle Hilfe erforderlich (einschließlich Umlagern).
Waschen/Kleiden
Merkmale Graduierung
- 0 = Selbständige und situationsgerechte Entscheidung über Art und Weise von Körperpflege/Kleidung sowie Ausführung dieser Tätigkeiten.
- 1 = Benötigt mehr Zeit und/oder ist mit Hilfsmitteln in der Lage, die Verrichtungen sicher durchzuführen (z. B. Badewannenlifter, Anziehhilfen).
- 2 = Benötigt zeit- oder teilweise personelle Hilfe für die Körperpflege und/oder das An- und Auskleiden. Kann z. B. die eigene Körperpflege nicht vollständig oder regelmäßig übernehmen, die Reihenfolge des Anziehens nicht einhalten, die Erforderlichkeit von Körperpflege nicht erkennen.
- 3 = Die eigene Körperpflege und das selbständige Kleiden kann nicht durchgeführt werden. Es ist ständige personelle Hilfe erforderlich.
Ernähren
Merkmale Graduierung
- 0 = Bedarfsgerechte Entscheidung und Realisierung der Nahrungsaufnahme erfolgt selbständig.
- 1 = Isst selbständig, braucht mehr Zeit und/oder Hilfsmittel (z. B. Schnabeltasse, Trinkhalm, Antirutschfolie, spezielles Besteck und/oder Geschirr, selbständige Handhabung der Sondenernährung).
- 2 = Benötigt zeit- oder teilweise personelle Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung sowie beim Essen und/oder Trinken.
- 3 = Die Ernährung kann nur mit ständiger personeller Hilfe erfolgen, wie z. B. ständiges Anhalten zur Nahrungsaufnahme, Anleiten, Führen der Hand zum Mund, Eingeben von Nahrung.
Ausscheiden
Merkmale Graduierung
- 0 = Entscheidung und Realisierung der Ausscheidung erfolgt sicher und selbständig.
- 1 = Unterstützt selbständig Miktion und/oder Defäkation durch Hilfsmittel wie z. B. Urinflasche, Stechbecken, Toilettenstuhl, regelmäßige Förderung der Ausscheidung wie z. B. Massage, manuelle Harnlösung, Katheterhygiene, selbständige Anus praeter-Versorgung.
- 2 = Braucht zur Ausscheidung zeit- oder teilweise personelle Hilfe (z. B. bei der Handhabung der Hilfsmittel, Anleitung zum Kontinenztraining, Aufforderung zum Toilettengang), Intimhygiene muss teilweise (z. B. nach Stuhlgang) übernommen werden.
- 3 = Es ist eine ständige personelle Hilfe bei Miktion und Defäkation erforderlich.
2. Pflegebegründende Diagnose(n)
Eine oder zwei Diagnosen, die im Wesentlichen die Pflegebedürftigkeit begründen, muss der Gutachter angeben und nach ICD-10 verschlüsseln. Weitere Diagnosen sollten in der Reihenfolge ihrer Wertigkeit bezüglich des Pflegebedarfs angegeben werden.
Pflegestufen-Tipp: Es sollten auch Diagnosen angegeben werden, die noch keinen Pflegebedarf begründen, jedoch bei eventuellen Therapie- und Rehabilitationsleistungen von Bedeutung sind.
3. Abgrenzung des zu berücksichtigenden Hilfebedarfs
Der für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebliche Hilfebedarf bei den Verrichtungen nach § 14 Abs. 4 SGB XI nach Art, Häufigkeit, zeitlichem Umfang und Prognose ergibt sich aus
- der individuellen Ausprägung von Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten durch Krankheit oder Behinderung,
- den individuellen Ressourcen,
- der individuellen Lebenssituation (z. B. umweltbezogene Kontextfaktoren wie Wohnverhältnisse, soziales Umfeld),
- der individuellen Pflegesituation (z. B. personenbezogene Kontextfaktoren wie Lebensgewohnheiten),
unter Zugrundelegung der Laienpflege !
Es wird ausschließlich auf die Individualität des Antragstellers bewertet. Die Individualität der Pflegeperson/-en findet keine Berücksichtigung.
Für die Feststellung des individuellen Hilfebedarfs ist eine Gesamtbetrachtung durch den Gutachter notwendig. Dabei werden die erbrachte Hilfeleistung und der individuelle Hilfebedarf ins Verhältnis gesetzt und zusammenfassend bewertet, d. h. es wird ermittelt, ob die erbrachte Hilfeleistung dem individuellen Hilfebedarf entspricht.
Maßstab für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist der individuelle Hilfebedarf des Antragstellers an gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, orientiert an der tatsächlichen Hilfeleistung im Rahmen des medizinisch und pflegerisch Notwendigen.
Pflegestufen-Tipp: Für die Begutachtung wird nur das berücksichtigt, was medizinisch und pflegerisch notwendig ist und innerhalb des damit vorgegebenen Rahmens liegt. Es wird nicht berücksichtigt:
- eine besonders aufwendige pflegerische Betreuung (Wunsch nach überversorgender Pflege)
- über das Maß des Notwendigen hinaus erbrachte Pflege (Überversorgung).
Maßgebend ist die Einschränkung der Fähigkeit, die regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen ohne personelle Hilfe vornehmen zu können.
Hilfebedarf ist auch dann gegeben, wenn die Verrichtung zwar motorisch ausgeübt, jedoch deren Notwendigkeit nicht erkannt oder nicht in sinnvolles Handeln umgesetzt werden kann. Gleichrangig maßgebend sind die Unterstützung, die teilweise oder vollständige Übernahme wie auch die Beaufsichtigung der Ausführung dieser Verrichtungen oder die Anleitung zu deren Selbstvornahme.
Der individuelle Hilfebedarf ergibt sich aus den vom Gutachter festgestellten Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie aus den noch vorhandenen Fähigkeiten (Ressourcen).
Pflegestufen-Tipp: Hilfebedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung allein begründet keine Pflegebedürftigkeit.
Für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, der Krankenbehandlung und der Behandlungspflege mit Ausnahme der für die Grundpflege notwendigen verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen, der sozialen Betreuung, der beruflichen und sozialen Eingliederung sowie zur Kommunikation nicht berücksichtigt werden.
Pflegestufen-Tipp: Der Hilfebedarf im Sinne des SGB XI wird verringert oder besteht nicht mehr, wenn der Pflegebedürftige die eingeschränkte oder verlorene Fähigkeit durch Benutzung eines Hilfsmittels oder Verwendung von Gebrauchsgegenständen selbst ausführen kann. Der danach verbleibende personelle Hilfebedarf bestimmt den Umfang der Pflegebedürftigkeit.
4. Formen der Hilfeleistung
Bei den Formen der Hilfe werden die Unterstützung, die teilweise oder vollständige Übernahme der Verrichtung sowie die Beaufsichtigung und Anleitung unterschieden. Individuelle Hilfeleistungen können dabei aus einer Kombination einzelner Hilfeformen zusammengesetzt sein oder im Tagesverlauf wechselnde Hilfeformen bedingen. Sie sind dann in ihrer Gesamtheit zu werten.
Ziel der Hilfe ist, so weit wie möglich, die eigenständige Übernahme der Verrichtungen durch die pflegebedürftige Person.
Unterstützung bedeutet, den Pflegebedürftigen durch die Bereitstellung sächlicher Hilfen in die Lage zu versetzen eine Verrichtung selbständig durchzuführen. Dazu gehört z. B. beim Gehen die Bereitstellung eines Rollators. Eine Unterstützung z. B. beim Waschen liegt dann vor, wenn eine Person sich zwar selbst waschen kann, aber das Waschwasser bereitgestellt, nach dem Waschen beseitigt oder ein Waschlappen gereicht werden muss. Ein weiteres Beispiel ist das Bereitlegen geeigneter Kleidungsstücke im Rahmen des An- und Auskleidens.
Bei der teilweisen Übernahme werden in Abgrenzung zur Unterstützung unmittelbare personelle Hilfen bei der Durchführung einer Verrichtung berücksichtigt. Teilweise Übernahme bedeutet, dass die Pflegeperson den Teil der Verrichtungen des täglichen Lebens übernimmt, den der Pflegebedürftige selbst nicht ausführen kann. Eine teilweise Übernahme der Verrichtung liegt dann vor, wenn eine personelle Hilfe zur Vollendung einer teilweise selbständig erledigten Verrichtung benötigt wird. Eine teilweise Übernahme des Waschens liegt z. B. dann vor, wenn Gesicht und Teile des Körpers selbständig gewaschen werden, für das Waschen der Füße und Beine aber die Hilfe einer Pflegeperson benötigt wird. Auch wenn eine Verrichtung begonnen, aber z. B. wegen Erschöpfung abgebrochen wird, kann eine teilweise Übernahme der Verrichtung notwendig werden.
Bei geistig behinderten, geronto-psychiatrisch veränderten oder psychisch kranken Menschen kann eine teilweise Übernahme dann erforderlich werden, wenn der Antragsteller von der eigentlichen Verrichtung wiederholt abschweift oder die Verrichtung trotz Anleitung zu langsam und umständlich ausführt. In einem solchen Fall muss z. B. das Waschen wegen der Gefahr des Auskühlens von der Pflegeperson durch eine teilweise Übernahme zu Ende gebracht werden.
Vollständige Übernahme bedeutet, dass die Pflegeperson alle Verrichtungen ausführt, die der Pflegebedürftige selbst nicht ausführen kann. Eine vollständige Übernahme liegt dann vor, wenn die Pflegeperson die Verrichtung ausführt und der Antragsteller dabei keinen eigenen Beitrag zur Vornahme der Verrichtung leisten kann.
Die Hilfeform der vollständigen Übernahme greift erst dann, wenn alle anderen Hilfeformen nicht in Betracht kommen.
Bei der Beaufsichtigung steht zum einen die Sicherheit beim konkreten Handlungsablauf der Verrichtungen im Vordergrund. Z. B. ist Beaufsichtigung beim Rasieren erforderlich, wenn durch unsachgemäße Benutzung der Klinge oder des Stroms eine Selbstgefährdung gegeben ist. Zum anderen kann es um die Kontrolle darüber gehen, ob die betreffenden Verrichtungen in der erforderlichen Art und Weise durchgeführt werden. Eine Aufsicht, die darin besteht zu überwachen, ob die erforderlichen Verrichtungen des täglichen Lebens überhaupt ausgeführt werden, und lediglich dazu führt, dass gelegentlich zu bestimmten Handlungen aufgefordert werden muss, reicht nicht aus. Nur konkrete Beaufsichtigung, Überwachung und/oder Erledigungskontrollen werden berücksichtigt, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise binden wie bei unmittelbarer personeller Hilfe.
Eine allgemeine Beaufsichtigung zählt nicht dazu!
Anleitung bedeutet, dass die Pflegeperson bei einer konkreten Verrichtung den Ablauf der einzelnen Handlungsschritte oder den ganzen Handlungsablauf anregen, lenken oder demonstrieren muss. Dies kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn der Antragsteller trotz vorhandener motorischer Fähigkeiten eine konkrete Verrichtung nicht in einem sinnvollen Ablauf durchführen kann.
Zur Anleitung gehört auch die Motivierung des Pflegebedürftigen zur selbständigen Übernahme der regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens.
Ermittlung des Hilfebedarfs
1. Grundsätze
Im Formulargutachten hat der Gutachter eine objektive Bewertung der Situation und des Hilfebedarfs in den einzelnen Bereichen der Körperpflege, Ernährung, Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung entsprechend den o. g. Kriterien vorzunehmen.
Für die Feststellung einer Pflegestufe nach dem SGB XI ist nur ein dauerhaft bestehender Hilfebedarf (6 Monate) relevant. Entscheidend ist,
- bei wie vielen Verrichtungen,
- wie häufig,
- zu welchen verschiedenen Zeiten des Tages (ggf. „rund um die Uhr“) und
- in welchem zeitlichen Umfang für die einzelnen Verrichtungen
ein regelmäßiger Hilfebedarf besteht.
Geringfügiger, nicht regelmäßiger oder nur kurzzeitig anfallender Hilfebedarf führt nicht zu einer Anerkennung einer Pflegestufe. Das gilt auch, wenn der Hilfebedarf nur bei der hauswirtschaftlichen Versorgung besteht oder bei schubweise verlaufenden Erkrankungen bzw. Therapien, die einen wechselnden Hilfebedarf (z. B. nur an jedem zweiten Tag) nach sich ziehen können.
2. Hilfebedarf auf Dauer
Der Anspruch nach dem SGB XI setzt einen auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, bestehenden Hilfebedarf bei der Ausübung bestimmter Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens voraus.
Pflegestufen-Tipp: Der Einschub „voraussichtlich für mindestens 6 Monate“ präzisiert den Begriff „auf Dauer“ in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wird festgelegt, dass nur Zeiträume von mindestens 6 Monaten die Voraussetzung „auf Dauer“ erfüllen. Zum anderen wird verdeutlicht, dass bereits vor Ablauf von 6 Monaten eine Entscheidung über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit getroffen werden kann, wenn vorhersehbar ist, dass der Zustand der Hilfebedürftigkeit mindestens 6 Monate andauern wird.
Pflegebedürftigkeit auf Dauer ist auch gegeben, wenn der Hilfebedarf deshalb nicht 6 Monate andauert, weil die verbleibende Lebensspanne voraussichtlich weniger als 6 Monate beträgt.
Bei der Beurteilung der 6-Monatsfrist ist vom Eintritt der Hilfebedürftigkeit und nicht vom Zeitpunkt der Begutachtung auszugehen.
3. Ermittlung von Art und Häufigkeit des regelmäßigen Hilfebedarfs
Bei der Bemessung der Häufigkeit des jeweiligen Hilfebedarfs ist von den tatsächlichen individuellen Lebensgewohnheiten auszugehen, die der Antragsteller nachvollziehbar in seinem persönlichen Umfeld hat.
Pflegestufen-Tipp: Auch wenn bestimmte gesetzlich festgelegte Verrichtungen des täglichen Lebens nicht täglich anfallen (z. B. das Baden), sind diese zu berücksichtigen so weit sie regelmäßig, d. h. mindestens einmal pro Woche und auf Dauer für mindestens 6 Monate anfallen.
Eine Versorgung "rund um die Uhr" liegt vor, wenn konkreter Hilfebedarf aus dem grundpflegerischen Bereich jederzeit gegeben ist und Tag (06.00 Uhr – 22.00 Uhr) und Nacht (22.00 Uhr – 06.00 Uhr) anfällt.
Ein nächtlicher Grundpflegebedarf liegt vor, wenn der Hilfebedarf "rund um die Uhr" zu verschiedenen Tageszeiten und zusätzlich regelmäßig mindestens einmal zur Nachtzeit anfällt/anfallen würde (bei defizitärer Pflege). Der nächtliche Hilfebedarf muss also prinzipiell jeden Tag auftreten; so weit an wenigen einzelnen Tagen im Laufe eines Monats eine solche Hilfe nicht geleistet werden muss, ist dies allerdings unschädlich.
Nächtlicher Grundpflegebedarf kann im Rahmen dieser Regel ausnahmsweise auch dann anerkannt werden, wenn in den letzten vier Wochen einmal oder höchstens zweimal in der Woche nächtliche Hilfeleistungen nicht anfielen und Hilfebedarf mindestens in diesem Umfang voraussichtlich auf Dauer bestehen wird.
Pflegestufen-Tipp: Eine gezielte Verlagerung der Hilfeleistung in die Nacht rechtfertigt nicht die Anerkennung als nächtlicher Hilfebedarf; maßgebend ist der individuell notwendige Grundpflegebedarf des Pflegebedürftigen.
Der Gutachter prüft die diesbezüglichen Angaben auf ihre Plausibilität (z. B. anhand der Pflegedokumentation oder eventuell vorhandener längerfristiger Aufzeichnungen über den Pflegeverlauf)!
4. Ermittlung des zeitlichen Umfanges des regelmäßigen Hilfebedarfs
Der Gutachter muss den Zeitbedarf in der Grundpflege für die Einzelverrichtungen sowie den Zeitbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung insgesamt angeben.
Maßstab für die Bemessung des Pflegezeitaufwandes ist die Pflegezeit, die nichtprofessionelle Pflegepersonen im Sinne der Laienpflege benötigen würden.
Der Zeitaufwand für die Grundpflege einschließlich verrichtungsbezogene(r) krankheitsspezifische(r) Pflegemaßnahmen ist als Summenwert für die jeweilige(n) Verrichtung(en) darzustellen.
Auch die nicht tägliche Hilfeleistung bei den gesetzlich festgelegten Verrichtungen ist bei der Feststellung des Zeitaufwandes zu berücksichtigen, so weit diese regelmäßig, d. h. mindestens einmal pro Woche, und auf Dauer erbracht wird. Der Zeitumfang dieser Hilfeleistung ist auf den Tag umzurechnen.
Pflegestufen-Tipp: Bei unvermeidbarem zeitgleichem Einsatz zweier Pflegekräfte/Pflegepersonen ist der Zeitaufwand beider Pflegepersonen zu addieren.
Unrealistische, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr nachvollziehbare und nicht krankheitsbedingte Lebensgewohnheiten werden nicht berücksichtigt.
Bei Personen mit wechselnden Hilfeleistungen ist der durchschnittliche zeitliche Hilfebedarf über einen längeren Zeitraum zu berücksichtigen (Hinweise aus Pflegedokumentation, Pflegetagebuch, Angaben der Pflegeperson).
5. Verrichtungen im Sinne des SGB XI
Das SGB XI definiert in § 14 Abs. 4 die Verrichtungen des täglichen Lebens, die bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind. Die Verrichtungen sind in vier Bereiche unterteilt:
- Körperpflege
- Waschen
- Duschen
- Baden
- Zahnpflege
- Kämmen
- Rasieren
- Darm- und Blasenentleerung
- Ernährung
- mundgerechtes Zubereiten der Nahrung
- Aufnahme der Nahrung
- Mobilität
- selbständiges Aufstehen und Zubettgehen
- An- und Auskleiden
- das Gehen
- das Stehen (Transfer)
- das Treppensteigen
- Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung
- Hauswirtschaftliche Versorgung
- Einkaufen
- Kochen
- Reinigen der Wohnung
- das Spülen
- Wechseln und Waschen der Wäsche
- das Beheizen
Ergebnis
1. Stimmt der angegebene Pflegeaufwand mit dem gutachterlich festgestellten Hilfebedarf überein?
Die Angaben des Gutachters sollen es der Pflegekasse ermöglichen, den Personenkreis festzustellen, für den die soziale Absicherung in der Renten- und Unfallversicherung verbessert wird (§ 44 SGB XI). Diese erfolgt für Pflegepersonen, die einen Pflegebedürftigen wenigstens 14 Stunden wöchentlich pflegen. Der Beitragsbemessung in der Rentenversicherung liegt eine zeitliche Abstufung des wöchentlichen Pflegeaufwandes (14, 21, 28 Stunden) unter Berücksichtigung der Pflegestufe zugrunde.
Pflegestufen-Tipp: Der Gutachter hat an dieser Stelle die vom Antragsteller bzw. von der Pflegeperson geltend gemachten Pflegezeiten zu überprüfen und, ausgehend vom festgestellten Hilfebedarf bei der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, eine eigenständige Bewertung des wöchentlichen Pflegeaufwandes vorzunehmen. Da Zeiten der allgemeinen Betreuung und Beaufsichtigung hierbei nicht zu berücksichtigen sind, kann es zu Abweichungen zwischen den Angaben des Antragstellers, der Pflegeperson und dem festgestellten Hilfebedarf des Gutachters kommen.
2. Liegt eine Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI vor?
Die gutachterliche Entscheidung, ob aufgrund von Krankheit oder Behinderung Pflegebedürftigkeit vorliegt, gründet sich auf
- die Feststellung des Hilfebedarfs bei den definierten Verrichtungen,
- die Zuordnung dieser Verrichtungen im Tagesablauf,
- die Häufigkeit der hierzu erforderlichen Hilfeleistungen im Tagesdurchschnitt,
- den jeweiligen Zeitaufwand für diese Hilfeleistungen im Tages- und Wochendurchschnitt,
- die zeitliche Gewichtung der Maßnahmen der Grundpflege unter Berücksichtigung erschwerender oder erleichternder Faktoren sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung,
- die Dauer des voraussichtlichen Hilfebedarfs über mindestens 6 Monate.
Liegt nach dieser Bewertung keine Pflegebedürftigkeit vor, ist dies zu begründen.
Weiterhin ist zu dokumentieren, seit wann Pflegebedürftigkeit vorliegt. Dies ist ohne Schwierigkeiten möglich, wenn die Pflegebedürftigkeit durch eindeutig zuzuordnende Ereignisse ausgelöst worden ist. Es ist jedoch auch bei chronischen Verläufen eine begründete Abschätzung des Beginns notwendig.
Ein bloßes Abstellen auf das Datum der Antragstellung bzw. Beginn des Antragsmonats ist nicht zulässig.
Liegt Pflegebedürftigkeit vor, ist die Einstufung entsprechend den Kriterien für Pflegestufen vorzunehmen. Dabei ist die Pflegestufe auszuweisen, die sich unter Berücksichtigung der krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen ergibt.
Eine Begründung zu den einzelnen Pflegestufen ist abzugeben.