Harninkontinenz / Harninkontinenzformen[zurück]
Harninkontinenz
Diese Inkontinenzform wird im Volksmund häufig als Blasenschwäche bezeichnet. Gemeint ist damit der unwillkürliche Abgang von Urin. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten. Am häufigsten betroffen sind Frauen. Schätzungen zufolge sind ca. 30 % (!) aller Frauen im Laufe ihres Lebens von einer Harninkontinenz betroffen.
Formen des unwillkürlichen Urinabganges
Inkontinenzleiden dieser Art werden auf Grund der verschiedenen organischen Ursachen in entsprechende Erkrankungsformen eingeteilt:
1. Stressinkontinenz (Belastungsinkontinenz)
Bei dieser Form der Inkontinenz, sind die Blasenschließmuskeln zu schwach, um den Urin bei körperlicher Anstrengung zurückzuhalten. Der Urinverlust entsteht vor allem durch Situationen, in denen ein erhöhter Druck im Bauchraum entsteht, wie zum Beispiel Husten oder Lachen.
Je nach Ausmaß dieser Muskelschwäche unterscheidet man drei Grade von Stressinkontinenz:
- Grad I: Harnabgang nur beim Husten, Lachen, Niesen oder Pressen
- Grad II: Harnabgang bei Bewegung oder beim Aufstehen und Hinsetzen
- Grad III: Harnabgang während des Liegens
Die häufigste Ursache für eine Stress- bzw. Belastungsinkontinenz ist eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur, die häufig als Folge mehrer Geburten, als Folge von Östrogenmangel nach der Menopause oder nach Unterleibsoperationen entsteht. Aus diesem Grund sind Frauen weitaus häufiger von dieser Inkontinenzform betroffen als Männer.
Allerdings kann die Stressinkontinenz auch beim männlichen Geschlecht auftreten, beispielsweise nach Prostataoperationen, bei denen die Muskulatur der Harnröhre geschädigt worden ist.
2. Urgeinkontinenz (Dranginkontinenz)
Hierbei handelt es sich um einen starken, zwanghaften Harndrang schon bei geringer Blasenfüllung. Diese Form der Inkontinenz wird durch Störungen von Nervenstrukturen verursacht, die wichtig für die Steuerung der Blasenmuskulatur sind.
Man unterscheidet zwei verschiedene Formen:
- Muskuläre Störung:
Durch Erkrankungen des zentralen Nervensystems werden die Muskeln, die den Harn aus der Blase treiben, unwillkürlich angespannt. Die Muskulatur ist überaktiv und spannt sich an, obwohl die Blase noch nicht gefüllt ist. Menschen mit Multipler Sklerose, Morbus Parkinson, Rückenmarksschädigungen und Schlaganfällen sind besonders häufig von der motorischen Dranginkontinenz betroffen. - Sensorische Störung:
Die sensorische Dranginkontinenz wird durch Veränderungen der Blase und Blasenwand verursacht, die zu einer Fehlwahrnehmung führen: Obwohl die Blase nur gering gefüllt ist, wird signalisiert, dass die Blase gefüllt ist. Derartige Veränderungen der Blase und Blasenwand können durch Blasenentzündungen, Steinleiden, Tumore oder durch Umbauprozesse in der Blasenschleimhaut, zum Beispiel durch Östrogenmangel in der Menopause, hervorgerufen werden.
3. Reflexinkontinenz (neurogene Inkontinenz)
Die Ursache dieser Inkontinenzform liegt in einer Schädigung der Nervenbahnen zwischen dem Gehirn und den Rückenmarkszentren, die für die Blasentätigkeit verantwortlich sind. Dies ist in der Regel bei Querschnittslähmungen der Fall. Der Betroffene hat kein Gefühl mehr für den Füllungszustand der Blase, das heißt er verspürt auch keinen Harndrang mehr. Eine Blasenentleerung ist nur noch reflektorisch, nicht aber willkürlich möglich, da die Nervenzellen völlig enthemmt Impulse feuern, welche die Blasenmuskulatur zusammenzieht. Die Blase hat keine andere Möglichkeit als zu pressen.
4. Überlaufinkontinenz
Diese Form der Inkontinenz ist gekennzeichnet durch eine ständig überfüllte Blase. Trotz starken Harndrangs sind die Betroffenen nicht in der Lage, die Blase zu entleeren. Erst bei maximaler Füllung kann sich die Blase entleeren (überlaufen) und der Urin entweicht.
Für die Überlaufinkontinenz kommen zwei verschiedene Ursachen in Frage: Entweder die Muskeln, die die Blase entleeren sollen, sind zu schwach (funktionelle Überlaufinkontinenz), oder der Blasenausgang ist verengt (obstruktive Überlaufinkontinenz).
- Funktionelle Überlaufinkontinenz:
Die Ursache für den Urinverlust liegt in einer Schwäche und Funktionseinschränkung des Blasenmuskels. Dadurch füllt sich die Blase bis sie überläuft, da sie sich nicht mehr ausreichend zusammenziehen kann. Entstehen kann eine solche funktionelle Überlaufinkontinenz beispielsweise durch Polyneuropathien (Nervenerkrankung, bei der viele Nerven gleichzeitig betroffen sind) oder durch die Einnahme von bestimmten Medikamenten, wie zum Beispiel Tranquilizer (starke Beruhigungsmittel). - Obstruktive Überlaufinkontinenz:
Die Ursache der Überlaufinkontinenz ist eine Obstruktion, was bedeutet, dass der Blasenausgang durch ein Hindernis verengt oder versperrt ist. Mitunter entsteht diese Form auch durch einen Spasmus (verkrampfende Einengung). Erst wenn der Druck eine bestimmte Höhe erreicht, die Blase also übervoll ist, kann der Urin tröpfchenweise und unkontrollierbar entweichen. Bei Frauen kann dies zum Beispiel durch eine abgesenkte Gebärmutter, ein Myom oder nach gynäkologischen Operationen auftreten. Beide Geschlechter können von Tumoren betroffen sein, die zu einer Verengung des Blasenausgangs führen. Bei Männern ist die häufigste Ursache eine Vergrößerung der Prostata.
5. Extraurethrale Inkontinenz
Bei dieser Inkontinenzform haben sich Fisteln gebildet über die der Urin in die Vagina, den Darm oder die Hautoberfläche abgehen kann. Fisteln sind neu gebildete Verbindungsgänge zwischen verschiedenen Organen. Sie können durch chronische Entzündungen des Darms, wie zum Beispiel bei Morbus Crohn oder nach Unterleibsoperationen auftreten. Fisteln können die Harnblase mit dem Darm, der Scheide oder sogar der Hautoberfläche verbinden, wodurch der Urin außerhalb des Harnleiters (extraurethral) ungehindert und unwillkürlich entweichen kann.