Pflegestufe abgelehnt[zurück]
Alltäglich werden in Deutschland mehrere hundert Anträge auf eine Pflegestufe abgelehnt. Viele zu recht -sehr viele zu unrecht. Dies gilt auch für beantragte Höherstufungen der Pflegestufe.
Damit Ihnen das nicht passiert und Sie selbst nach einer Ablehnung noch eine realistische Chance auf Anerkennung der Pflegebedürftigkeit haben, sollten Sie die nächsten Schritte genau kennen.
Irrtümlicherweise wird oft gemeint, der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) genehmigt den Antrag im Zuge seiner Prüfung. Der MDK begutachtet lediglich als unabhängiges Organ und leitet das Ergebnis (das sogenannte Pflegegutachten) an die Pflegekasse des Pflegebedürftigen weiter. In diesem Gutachten gibt der MDK zu folgenden Punkten seine Stellungnahme ab:
- Liegen die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit vor?
- Den Beginn der Pflegebedürftigkeit bzw. der Höherstufung.
- In welche Pflegestufe eingestuft wird.
- Prüfung ob ein außergewöhnlich hoher Pflegebedarf vorliegt (Härtefall)
- Liegt eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz vor?
- Umfang der Pflegetätigkeit der Pflegeperson.
Die Pflegekasse orientiert sich an dieser Einschätzung und gewährt dann nach Aktenlage die Pflegestufe oder lehnt sie ab.
Der Antrag auf Einstufung in eine Pflegestufe wurde abgelehnt - Was jetzt?
1.)
Zunächst Widerspruch einlegen (binnen 4 Wochen nach Zustellung der Ablehnung)
Achtung! Der Widerspruch muss schriftlich, direkt bei der für den Pflegebedürftigen zuständigen Pflegekasse erfolgen (Einschreiben mit Rückschein).
Es genügt ein formloses Schreiben mit der kurzen Mitteilung:
- dass Sie Widerspruch einlegen und
- die Begründung dazu nachreichen sowie
- um Zusendung des MDK-Gutachtens (Akteneinsicht) bitten
Diesen Widerspruch muss der Pflegebedürftige oder ein gesetzlicher Vertreter (Betreuer) unterschreiben.
2.)
Sofern Sie es nicht bereits getan haben, beginnen Sie spätestens jetzt mit dem Führen eines Pflegetagebuches (lesen Sie bitte dazu den verwandten Artikel: Pflegetagebuch)
3.)
Versuchen Sie anhand des Gutachtens herauszufinden, was bei der Erstbegutachtung eine Erteilung der Pflegestufe verhindert hat.
- Ein Ablehnungsgrund ist zum Beispiel das Nichterreichen der für die jeweilige Pflegestufe erforderlichen Gesamtpflegezeit (Tagespflegezeit).
Gemeint ist damit der Zeitaufwand für alle Verrichtungen (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) über den Zeitraum von 24 Stunden.
Sie benötigen für die: - Pflegestufe 1 -> mindestens 90 Minuten Gesamtpflegezeit
- Pflegestufe 2 -> mindestens 180 Minuten Gesamtpflegezeit
- Pflegestufe 3 -> mindestens 300 Minuten Gesamtpflegezeit
- Damit nicht genug: Die Gesamtpflegezeit muss einen bestimmten Anteil Grundpflege enthalten. Dieser beträgt für die:
- Pflegestufe 1 -> mehr als 46 Minuten
- Pflegestufe 2 -> mehr als 120 Minuten
- Pflegestufe 3 -> mehr als 240 Minuten
Hier fehlen oft nur Minuten (!) und das führt zur Ablehnung der Pflegestufe.
Hilfebedarf und Hilfeleistungen werden oft übersehen, nicht angegeben oder im Zusammenhang mit der Pflege eines Menschen nicht als solche erkannt. (Für weitere Informationen dazu lesen Sie bitte die verwandten Artikel: Pflegestufen, Zeitorientierungswerte Pflegestufen, MDK-Begutachtung)
4.)
Suchen Sie sich unbedingt kompetente Unterstützung -zum Beispiel durch einen Pflegedienst- und tragen sie gemeinsam alle Fakten minutengenau für Ihre Widerspruchsbegründung zusammen. Hier hilft Ihnen der klar dokumentierte Pflegeaufwand durch das Pflegetagebuch.
Achten Sie besonders auf mögliche Pflegeerschwernisse! (mehr dazu im verwandten Artikel Pflegeerschwernisse). Das hat Auswirkungen auf den Zeitaufwand, der bei der Pflegeeinstufung zugrunde gelegt wird.
5.)
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens beauftragt die Pflegekasse den MDK mit einer erneuten Begutachtung. Hier prüfen zunächst die Erstbegutachter anhand der Unterlagen und Ihrer eingereichten Begründung, ob sie unter diesen Aspekten zu einem anderen Ergebnis als im Erstgutachten kommen.
Ist dies nicht der Fall, erscheint nach 4-6 Wochen der MDK zu einer erneuten Begutachtung, dem sogenannten Zweitgutachten.
Der Gutachter (es ist ein anderer als beim ersten Termin) dokumentiert die Situation unter Würdigung Ihrer Angaben und des sich zwischenzeitlich veränderten Pflegebedarfes sowie der Gesamtumstände gegenüber der Erstbegutachtung.
Beachten Sie bitte!
Es wird lediglich eine Momentaufnahme Ihres Pflegealltages sichtbar. Viele Pflegebedürftige erwachen regelrecht aus ihrer Lethargie und sind durch den fremden Besuch hochmotiviert. Sie können in diesem Augenblick plötzlich Dinge, die man nicht mehr für möglich geglaubt hat.
Hier wird es manchmal unfair: Zum Beispiel fragen manche Gutachter den Patienten nach seinem Geburtstag und wo die Toilette ist und schon gilt der Pflegebedürftige als "zeitlich und räumlich orientiert".
Daher ist es sehr zu empfehlen, wenn neben den Angehörigen auch fachkundiges Pflegepersonal während der Begutachtung anwesend ist.
6.)
Wird Ihr Widerspruch abgelehnt und Sie erhalten erneut keine Pflegestufe (oder Höherstufung), ist eine Klage vor dem Sozialgericht ratsam.
Tipp:
Wenn Sie zur Zeit keine Chance auf Leistungen der Pflegekasse haben, können Sie -wenn Sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen- Pflegeleistungen der Sozialhilfe beantragen (lesen Sie bitte dazu die verwandten Artikel: Sozialhilfe, Pflege Sozialhilfe und Pflegegeld Sozialhilfe)