Pflegestufen Kinder[zurück]
Liebe Eltern, bitte beachten Sie den weiter unten aufgeführten Artikel Zusätzliche Betreuungsleistungen für Kinder. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, können Sie Leistungen der Pflegekasse auch ohne vorhandene Pflegestufe erhalten.
Ermittlung des Pflegebedarfs bei Kindern
Die Pflegestufeneinteilung bei Kindern ist nicht anders als bei Erwachsenen.
Es gelten die gleichen Leistungen der Pflegekasse (für weitere Informationen dazu lesen Sie bitte die verwandten Artikel Pflegestufen, Sozialhilfe und Finanzielle Leistungen Pflegeversicherung). Diese sind:
- Pflegestufe 1
- Pflegestufe 2
- Pflegestufe 3
- Pflegestufe 3+ (Härtefall)
- Zusätzliche Betreuungsleistungen (Pflegestufe 0)
- Pflegevertretung (Ersatzpflege/Verhinderungspflege)
- Tagespflege
- Kurzzeitpflege
- Häusliche Pflege
- Vollstationäre Pflege
Grundsätzlich gilt: Beantragen Sie alle Leistungen bei Ihrer Pflegekasse. Suchen Sie sich möglichst vorab Unterstützung (z.B. durch einen ambulanten Pflegedienst).
Wie wird der Grad der Pflegebedürftigkeit bei Kindern ermittelt?
Hier gibt es gegenüber Erwachsenen, wo nur der Pflegebedarf allein zählt, Unterschiede:
Das Kind wird bei der Begutachtung zur Feststellung der Pflegestufe mit einem gesunden Kind gleichen Alters verglichen. Dabei legt der MDK eine sogenannte "Entwicklungstabelle" zugrunde, in der nach Körperpflege, Ernährung und Mobilität der Pflegeaufwand für ein gesundes Kind in Minuten pro Tag, eingeteilt nach Lebensalter, erfasst ist.
Maßgebend für die Beurteilung des Hilfebedarfs durch den MDK bei einem Säugling oder Kleinkind ist nicht der natürliche altersbedingte Pflegeaufwand, sondern nur der darüber hinausgehende Hilfebedarf.
Bei kranken oder behinderten Kindern wird nur der zusätzliche Hilfebedarf berücksichtigt, der sich z. B. als Langzeitfolge einer angeborenen Erkrankung oder Behinderung, einer intensiv-medizinischen Behandlung oder einer Operation im Bereich der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität ergibt und u. a. in häufigen Mahlzeiten oder zusätzlicher Körperpflege bzw. Lagerungsmaßnahmen bestehen kann.
Grundlage und Maßstab dabei ist immer die oben erwähnte Entwicklungstabelle.
In dieser sinkt der angenommene Pflegeaufwand für das sich gesund entwickelnde Kind mit zunehmenden Alter kontinuierlich ab, so dass der Pflegebedarf für das kranke Kind mit zunehmenden Alter immer stärker als tatsächlicher Hilfebedarf für die Erteilung einer Pflegestufe zur Geltung kommt.
Im ersten Lebensjahr wird eine Pflegebedürftigkeit von der Pflegekasse daher nur ausnahmsweise genehmigt!
Die Feststellung einer Pflegestufe bedarf in diesem Fall einer besonderen Begründung.
Ein solcher Ausnahmefall liegt z. B. bei Säuglingen mit schweren Fehlbildungen sowie angeborenen oder früh erworbenen schweren Erkrankungen eines oder mehrerer Organsysteme vor, wodurch bei der häuslichen Pflege in der Regel die Nahrungsaufnahme erheblich erschwert und um Stunden zeitaufwendiger wird, im Ausnahmefall auch die Körperpflege um ein Vielfaches umfangreicher und zeitaufwendiger erfolgen muss.
Bei der Beurteilung des Hilfebedarfs kranker oder behinderter Kinder wird davon ausgegangen, dass der Hilfebedarf (inklusive Beaufsichtigungs- und Anleitungsbedarf) zeitaufwendiger sein kann als bei einem gesunden Kind.
So kann die Nahrungsaufnahme z. B. bei einigen seltenen Syndromen oder schweren Cerebralparesen, die mit ausgeprägten Störungen der Mundmotorik einhergehen, erheblich erschwert sein.
Der Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen sollte vom MDK konkret bezüglich des Zeitaufwandes, der Häufigkeit und der Hilfeform erfasst und dokumentiert werden. Die Angaben eines Pflegetagebuches sind ebenfalls im Hinblick auf die Erfassung der geleisteten Hilfe zu berücksichtigen.
Für den festgestellten Pflegeaufwand in Minuten wird dann die entsprechende Pflegestufe erteilt (für weitere Informationen dazu lesen Sie bitte den verwandten Artikel Pflegestufen).
Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen sind durch diese Methode vorprogrammiert
Die Pflegekassen stehen auf dem Standpunkt, dass aus Gründen der Begutachtung einheitliche Maßstäbe notwendig sind.
Durch das System, dass bei pflegebedürftigen Kindern nur der krankheits- bzw. behinderungsbedingte Mehraufwand im Bereich der Grundpflege und der Hauswirtschaft gegenüber gesunden Kindern in Minuten erfasst wird, findet die teils sehr große Variationsbreite der Fähigkeiten von Kindern gleichen Alters keine Berücksichtigung.
Zusätzliche Betreuungsleistungen für Kinder
Auch für Kinder mit eingeschränkter Alltagskompetenz unter 12 Jahren gibt es zusätzliche Leistungen der Pflegeversicherung.
Diese betragen maximal 200,- € pro Monat.
Achtung!
Um diese Betreuungsleistungen zu erhalten ist eine Pflegestufe nicht erforderlich! (für weitere Informationen dazu lesen Sie bitte den Artikel Zusätzliche Betreuungsleistungen bei eingeschränkter Alltagskompetenz/Pflegestufe 0).
Kriterien zur Feststellung eines erheblichen Betreuungsbedarfs
Grundlage für die Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz ist immer der Vergleich zu einem gleichaltrigen, altersentsprechend entwickelten gesunden Kind.
Dabei gelten folgende Eckpunkte:
- Kinder unter 1 Jahr entwickeln zwar keine Alltagskompetenz im eigentlichen Sinne, können aber aufgrund eines von der altersgerechten Entwicklung abweichenden Verhaltens einen erheblich gesteigerten Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf haben.
- Kinder unter 3 Jahren müssen praktisch dauernd beaufsichtigt werden, weil sie noch keinerlei Gefahrenverständnis besitzen.
- Kinder zwischen 3 und 6 Jahren können kurzfristig (ca. 15 – 60 Minuten) in entsprechend vorbereiteten Bereichen ohne direkte Aufsicht spielen, benötigen aber zeitnah einen Ansprechpartner.
- Kinder im Schulalter können je nach Alter mehrere Stunden täglich eigenverantwortlich allein bleiben. Sie brauchen zu festen Zeiten oder per Telefon einen Ansprechpartner, um schwierige Situationen zu beherrschen.
Der Gutachter muss bei einer eingeschränkten Alltagskompetenz mehrere der folgenden Punkte mit "Nein" oder als zutreffend pathologisch beantworten:
- Unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereiches (Weglauftendenz)
ab 3 Jahre - Einfache, eingeübte Regeln können befolgt werden. - Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen
ab 4 Jahre - Gefährdungen, die von Treppen und Fenstern ausgehen können sind bekannt.
ab 6 Jahre - Der in einer längeren Anlaufphase trainierte Schulweg wird allein bewältigt. Das Kind kennt grundlegende Regeln im Straßenverkehr. Situationsabhängig kann unüberlegtes, impulsives Verhalten vorkommen. - Unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen
ab 3 Jahre - Das Kind kennt grundlegende Gefahren im Alltag (Backofen, Herdplatte). Es lernt aus Erfahrung, es kann abstrahieren und lernt abhängig von der Anleitung. Gefährliche Gegenstände oder potenziell gefährdende Substanzen sind ihm zunehmend bekannt.
ab 6 Jahre - Das Kind kennt die Gefahren beim Einsatz/Verwendung von z. B. kochendem Wasser, elektrischen Geräten, Werkzeugen, Feuer. - Tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation
unter 1 Jahr - Selbststimulationen und Bewegungsstereotypien sind als pathologisch zu werten, wenn sie nicht regelmäßig durch äußere Reize unterbrochen werden können. Jede Art von Autoaggression ist als pathologisch anzusehen.
ab 2 Jahre - Gehäufte aggressive Übergriffe Personen gegenüber und/oder immer wiederkehrendes Zerstören von Gegenständen haben Krankheitswert. - Im situativen Kontext inadäquates Verhalten
unter 1 Jahr - Pausenloses unbegründetes Schreien ("cerebrales" schrilles Schreien) verursacht mehr als altersüblichen Beaufsichtigungsbedarf.
ab 1 Jahr - Ständige motorische Unruhe und/oder umtriebiges Verhalten sind pathologisch.
ab 2 Jahre - Gesunde Kinder spielen bereits längere Zeit ohne ständige Anleitung.
ab 3 Jahre - Der bestimmungsgemäße Gebrauch von Gegenständen des täglichen Lebens ist dem gesunden Kind bekannt und wird im Spiel imitiert. Als pathologisch anzusehen ist ein inadäquates Spielverhalten: Spielzeug wird z. B. nur zerstört, Rollenspiele oder ein Nachahmen von Alltagssituationen finden nicht statt. Einnässen und Einkoten in die Wohnräume sind nicht mehr zu erwarten.
ab 5 Jahre - Fortbestehende Distanzlosigkeit Fremden gegenüber ist als pathologisch zu werten. - Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen
unter 1 Jahr - Der gesunde Säugling drückt Grundbedürfnisse und Stimmungen über Gestik und Mimik aus, verbale Interaktionen kommen schrittweise im Kleinkindalter hinzu. Bereits bei geistig behinderten Säuglingen kann Selbstverstümmelung aufgrund mangelnden Schmerzempfindens auftreten (z.B. hereditäre sensomotorische Neuropathie Typ IV).
ab 2 Jahre - Unmäßige bzw. unkontrollierte Nahrungsaufnahme (außerhalb der Mahlzeiten) bei fehlendem Sättigungsgefühl (z. B. Prader-Willi-Syndrom) erfordert erhöhte Beaufsichtigung.
ab 5 Jahre - Die eigenen körperlichen Bedürfnisse werden z. B. nicht wahrgenommen, wenn das Kind die Toilette nur dann aufsucht, wenn es ausdrücklich dazu aufgefordert wird. - Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung
Hier muss eine entsprechende Stellungnahme eines Kinder- und Jugendpsychiaters vorliegen. - Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben
ab 2 Jahre - Einfache Gebote und Verbote können verstanden und befolgt werden. Bei geistig behinderten Kindern ist das Antrainieren sozialer Alltagsleistungen zeitintensiv, mühsam und nur durch ständig wiederholendes Üben möglich. Erfolg stellt sich mit deutlicher Zeitverzögerung im Vergleich zu gesunden Kindern ein.
ab 3 Jahre - Gesunde Kinder sind in Kindertageseinrichtungen zunehmend gruppenfähig und können längere Zeit unter Aufsicht mit Gleichaltrigen spielen. Sie können sich einordnen und Konflikte austragen.
ab 4 Jahre - Gesunde Kinder übernehmen unter Anleitung kleine Hilfen im Haushalt, z. B. Abräumen des Tisches, Aufräumen der Spielsachen.
ab 6 Jahre - Hinweise auf Einschränkungen der sozialen Kompetenz geben z.B. die Betreuungs- und Schulform und Schulzeugnisse insbesondere aus Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen. Der Umgang mit Geld z. B. bei kleineren Einkäufen kann bewältigt werden.
ab 8 Jahre - Eigene Taschengeldverwaltung ist möglich. Das Kind kennt die Uhrzeit; es kann öffentliche Verkehrsmittel nach entsprechendem Einüben selbständig nutzen. Verabredungen mit und Aufsuchen von Freunden erfolgen selbständig.
ab 10 Jahre - Selbständige Orientierung im weiteren Wohnumfeld (Stadt) ist nach entsprechender Übung möglich. - Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus
unter 1 Jahr - Es entwickelt sich ein fester Rhythmus mit/ohne Mittagsschlaf mit verlässlichen Durchschlafperioden (90 v. H. der gesunden Säuglinge schlafen nachts mit 5 Monaten durch).
Lediglich phasenhafte Schlafstörungen, z. B. bei akuten Erkrankungen, Umgebungswechsel oder psychosozialen Belastungen können bei behinderten Kindern nicht berücksichtigt werden. - Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren
ab 10 Jahre - Gesunde Kinder können ihren Tagesablauf eigenverantwortlich nach entsprechender Anleitung strukturieren, z. B. Körperpflege durchführen, Essenszeiten einhalten. - Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen
Trifft für Kinder kaum zu. - Ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten
ab 6 Jahre - Mit Erreichen des Schulalters ist ein emotional angepasstes Verhalten in Anforderungssituationen zu erwarten. Pathologisch sind Verhaltensweisen wie z. B. dauerhaft überschießende Trotzreaktionen, übermäßige Rückzugstendenzen, Vermeidungsverhalten oder unkontrolliertes Weinen. - Zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression
Hier muss eine entsprechende Stellungnahme eines Kinder- und Jugendpsychiaters vorliegen.